Der Duft der Provence

Die provenzalische Seife verzauberte bereits den Sonnenkönig, der sich eigens die Seifenhersteller aus Marseille an seinen Hof in Versailles holen ließ. Auch andere Regenten in ganz Europa schätzten die Seife aus der Provence als Zeichen des Reichtums und des Wohlstandes und importierten die sie aus der Provence in ihre Königshäuser der Welt. Trotz ihrer weltweiten Bekanntheit ist und bleibt die provenzalische Seife stolzes Traditionsgut und Wahrzeichen der Provenzalen, denn sie ist eng mit der provenzalischen Kultur verbunden. Mit ihren natürlichen Zutaten und betünchenden Duft trägt sie die Provence in die gesamte Welt hinaus. Vor allem die Seife aus der provenzalischen Hauptstadt Marseille ist weltberühmt, doch auch in anderen Orten der Region hat das Seifenhandwerk einen festen Platz, schließlich ist es einer der bedeutsamsten Kulturgüter der Provenzalen. Es ist die Natürlichkeit und Pflanzlichkeit, wofür die Seife der Provence berühmt ist, denn sie kommt ganz ohne tierische Produkte aus. Die provenzalische Seife transportiert all die wohltuenden Düfte und Farben der Provence von dem lilafarbenen Lavendel über die „herbes de Provence“ (Provenzalische Kräuter) bis hin zum olivigen Grün der weitlaufenden Olivenhaine in die ganze Welt.

Traditionshandwerk

Die Seifenherstellung ist eine jahrtausendalte Tradition, die ihren Anfang allerdings nicht in der Provence nahm. Bereits in der Antike wurde der wohltuende Effekt von Seife festgestellt und Seifen sowohl im alten Ägypten, antiken Griechenland und Rom, aber auch im Nahen Osten sowie von allerlei germanischen Stämmen hergestellt. Als Drehkreuz der antiken Welt genoss die Provence, und vor allem die bedeutende Hafenstadt Marseille, das Privileg, Waren aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt zu importieren. So kamen in der Provence Seifen aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt zusammen, die allesamt die Länder widerspiegelten, aus denen sie stammten. Die bunte Vielfalt an den verschiedensten Seifen mischte sich mit der provenzalischen Seifenherstellung, die ebenfalls schon seit der Antike existierte. Unabhängig von anderen antiken Seifen, die in die Provence kamen, stellten die Provenzalen nämlich selbst eine unabhängige Substanz her, die jedoch erst von den Römern als Seife betitelt wurde. Denn bei der römischen Eroberung der Provence waren die Römer von einem Pulver überrascht, das die Einwohner der Provence aus Talg und Asche formten. Die Römer nannten dieses Pulver, welches in ganz Gallien verbreitet war und die Gallier in ihre Haare gaben, nach römischem Vorbild kurzentschlossen „Seife“. Da die römischen Erzählungen die einzigen Zeugnisse dieser gallischen Seife sind, ist es bis heute ein Rätsel, ob die Gallier ihr Pulver tatsächlich zur Körperreinigung verwendeten oder nicht. Denn es waren die Römer, die als erste die reinigende Wirkung ihrer Seifen herausfanden und nutzten. Dies war jedoch erst nach der Eroberung der Provence, im 2. Jahrhundert nach Christi, womit sich dieser Brauch im gesamten römischen Imperium, also zu diesem Zeitpunkt auch in der Provence, etablierte. Hingegen ist klar, dass die Römer die gallische Seife zuerst in der Provence fanden, denn sie war die erste Region, die sie außerhalb von Italien im 1. Jahrhundert vor Christi eroberten. Die Herstellung von gallischer Seife in der Provence vermag damit zwar keine lokale Eigenart sein, doch wurde die Seifenproduktion mit dem Handel von allerlei verschiedenen Seifen in der Provence und unter römischer Hand zur Besonderheit der Region. Die Seifen aus aller Welt bewirkten schließlich, dass einige Provenzalen auf außergewöhnliche Rezepturen stießen, mit denen sie sich von der Masse abheben konnten. Sie entwickelten eine Seife auf Basis von Olivenöl. Dabei machten sie sich gleichzeitig die lokalen Eigenheiten der Provence zu Nutze, wo die Olivenbäume bereits seit den antiken Griechen angebaut wurden. Noch heute ist die Provence für ihre sanfte, olivige Seife berühmt ist.

Allerdings lässt sich auch die Erfindung der Olivenölseife nicht in der Provence verorten, sondern in einem von der Region ebenfalls weit entfernten Land – in Syrien. Hier wurde bereits vor mehr als 3.500 Jahren in der syrischen Hauptstadt Aleppo Seife zur Körperreinigung auf Basis von Olivenöl und Lorbeeröl hergestellt, womit die Aleppo-Seife die vermutlich älteste Seife der Welt ist. Die Verwendung von Olivenöl als Grundmittel für eine natürlich weiche und wohltuende Seife ist damit eines der ältesten Rezepturen der Menschheit. Mit den Kreuzzügen verbreitete sich die Aleppo-Seife in ganz Europa, da die Kreuzritter und Pilger sie mit ihren Reisen zurück in ihre europäischen Heimatländer brachten. Die Pilger kamen vermehrt im Mittelmeerraum an, der als Route für Gläubige von Europa in das gelobte Land beliebt war. Dadurch kam besonders viel der syrischen Olivenölseife in die Provence. Gleichzeitig stellt die Zeit der Kreuzzüge auch den Beginn der provenzalischen Seifenproduktion in Marseille dar. Denn hierhin gelangte die Seife aus Syrien recht früh, schließlich war Marseille einer der wohl bedeutsamsten Porte für die Reise über das Mittelmeer in das gelobte Land. So begann die Geschichte der „savon de Marseille“ im 12. Jahrhundert, als einige geschickte Seifenfabrikanten begannen, inspiriert durch die syrische Seife, ebenfalls ihre eigene Seife auf Olivenölbasis herzustellen. Denn in der Provence war die Gewinnung von Olivenöl seit der Einführung der Olivenbäume durch die alten Griechen zu einer festen Tradition geworden und das Olivenöl in allen möglichen Bereichen bereits ein vielseitig eingesetztes Allzweckmittel der Provenzalen. Die Fabrikanten aus Marseille inspirierte die Verwendung von Olivenöl zur Herstellung der Aleppo-Seife, doch versuchten sie anders als bei der syrischen Seife aus Olivenöl und Lorbeeröl nur eine Seife auf Basis ihres goldenen Öls herzustellen.

Ihren ersten großen Auftritt bekam die Marseiller Seife, als Ludwig XIV. persönlich großen Gefallen an der provenzalischen Seife fand. Während seines Machtzenits erkor er die Marseiller Seife zu einem seiner Statussymbole und erließ 1688 ein Edikt, in dem die Zusammensetzung der provenzalischen Seife festgelegt wurde. Besonders wichtig war dem Sonnenkönig die außerordentliche Reinheit der Savon de Marseille, weshalb er am 5. Oktober 1688 bestimmte, dass keine tierischen Fette zur Herstellung der olivigen Seife verwendet werden dürfen. Außerdem muss der Ölgehalt 72% betragen, wofür den Seifenfabrikanten die Arbeit im Sommer verboten wurde, da hier die Hitze die Produktion mit dem Öl beinträchtigen würde und die Qualität der Seife darunter leiden würde. Die Marseiller Seife wurde zu einem besonders hochwertigen Gut, das sich über den Hofe in Versailles in allen europäischen Königshäusern verbreitete. Als Statussymbol von Ludwig XIV. eiferten viele der europäischen Herrscher danach, ihre eigene Macht mittels der kostbaren Seife darstellen zu können. Gleichzeitig wurde druch das Edikt die Savon de Marseille zur Qualitätsware und keine 100 Jahre später erreichte Marseille bereits seinen Höhepunkt der eigenen Seifenherstellung. 1786 wurden 49 Marseiller Seifenfabriken gezählt, die mehr als 75.000 Tonnen Seife herstellten.

Doch schon kurz nach dem Seifen-Boom in Marseille bekamen die Hersteller in der Provence Konkurrenz im europäischen Raum, aber auch im eigenen Land. Insbesondere in England und Paris wurden deutlich billigere Seifen produziert, die für ihren unschlagbaren Preis andere Fette verwendeten. Auch in Marseille waren seit 1820 andere Fette importiert worden und unter dem Druck der billigen Seifenproduktion griffen auch immer mehr Traditionsbetriebe in der Provence zu einem Ersatz für das feine Olivenöl. Der einstige gute Ruf als qualitativ hochwertige Seifen litt in den Folgejahren massiv unter dem kommerziellen Druck, dem sich die Marseiller Seifenfabrikanten gezwungen sahen nachzugeben. Nach und nach ersetzen Palmöl und Kokosöl das reine Olivenöl. Gleichzeitig revolutionierte Nicolas Leblanc mit seiner Verseifungsmethode den Herstellungsprozess der Seife, denn nun konnte das benötigte Soda industriell gewonnen werden. Die Rezeptur für die Marseiller Seife wandelte sich durch diese Industrialisierung enorm, bis das Olivenöl zu Beginn des 20. Jahrhunderts vollständig aus der Rezeptur der handelsüblichen Savon de Marseille verschwand.  Nur wenige Marken bewahrten ihre Tradition und verschrieben sich der Herstellung nach dem Reinheitsgesetz von Ludwig XIV. Zwar war die Seifenproduktion in Marseille auf einem neuen Hoch, doch zeichnete sie sich nicht mehr durch das verwendete edle Olivenöl aus, sondern verschwammen zunehmen mit der Seifenmasse. Nichtdestotrotz sicherte sich die Provence und insbesondere Marseille ihren Ruf als einer der weltweiten Hauptstädte der Seifenproduktion. Zwar stellte sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg der verheerenden Konkurrenz des synthetischen Waschmittels, doch steht die Savon de Marseille gerade in dem Unterschied zu den industriellen Reinigungsmitteln noch heute für seine Natürlichkeit und Reinheit. Zwar existieren nur noch sechs Traditionsmarken in der Provence, davon vier in Marseille und zwei in Salon de Provence, die nach wie vor nach dem Reinheitsgesetz von 1688 ihre „72%-Savon de Marseille“ herstellen – eine Seife mit 72% Olivenölgehalt.

Savon de Marseille

Sie ist das Vorzeigeprodukt der Provence: die duftende Seife aus Marseille. Mit ihrem Versprechen von besonderer Natürlichkeit und Reinheit trägt sie die wunderbare Natur der Provence in sich. Nicht zuletzt ist das Zentrum der Provence, Marseille, durch ihre außergewöhnliche Seife zu solch einer Bekanntheit geworden. Sie steht wie Nichts anders für die Verwendung von Olivenöl als Basis der sanften Seife. Denn das ist das Geheimzutat der Savon de Marseille, die schon Ludwig XIV. verehrte. Aus der Sicht der weltweiten Seifenhersteller ist es jedoch nicht das Olivenöl, dass die Seife so berühmt gemacht hat. Vielmehr ist es die Marseiller-Verseifungsmethode, die heute geschützt ist und die Seife der Provence bekannt machte. Es handelt sich um das Leblanc-Verfahren zu Gewinnung von Soda, auch Waschsalz genannt, das für die Herstellung von Seife unerlässlich ist. Leblanc gelang es aus Kalkstein das für die Industrie so wichtige Soda zu gewinnen. Zwar war Nicola Leblanc kein Marseiller und auch kein Seifenhersteller, doch eignet sich die neue Sodaherstellung aus Kalkstein hervorragend für die Provence, wo es Kalkstein wie Sand am Meer gibt. So wurde das Leblanc-Verfahren inoffiziell zur Marseiller-Verseifungsmethode, schließlich kann man es kaum an einem anderen Ort der Welt so gut anwenden wie in der kalksteinhaltigen Provence.

Leider ist die Bezeichnung einer Seife als „Savon de Marseille“ nicht geschützt und so stellen Hersteller auf der ganzen Welt das Kulturgut der Provence her. Allerdings halten sie sich dabei oft nicht an das Reinheitsgebot, das Ludwig XIV. einst aufgestellt hat. Zwar gibt es einen Code zur Herstellung einer „Savon de Marseille“, doch dieser ist recht groß gefasst und ermöglicht die Herstellung der Seife auch außerhalb der Provence. So ist lediglich festgelegt, das die Savon de Marseille nach dem Leblanc-Verfahren hergestellt werden soll. Die wunderbaren Zutaten hingegen, die die kostbare Seife so einzigartig machen, sind nicht genau bestimmt. Auch die Verwendung des Namens „Marseille“ für die Seifenproduktion ist ebenfalls nicht geschützt und so können Seifenhersteller auf der ganzen Welt eine „Savon de Marseille“ herstellen. Heute werden vor allem in der Türkei und in China eine Seife unter dem Namen „Savon de Marseille“ im großen Stil hergestellt. Durch ihre kostensparende Produktion sind diese beiden Länder sogar die größten Hersteller der Savon de Marseille, wohingegen das Ursprungsland Frankreich mit seiner Seifenproduktion im internationalen Vergleich zurückfällt. Gerade deshalb kämpft die „Association des Fabricants de Savon de Marseille“, einem Verband der traditionellen Seifenhersteller in der Provence, um die Anerkennung ihres eigenen Kulturguts unter dem geschützten Namen. Denn Seifenhersteller außerhalb der Provence können nicht auf ihre herrlichen natürlichen Erzeugnisse zurückgreifen, die eine wahre Seife aus Marseille ausmachen. So können viele Seifen den Titel als Savon de Marseille tragen, doch sollte man sich stets an die bewegte Geschichte der Marseiller Seife erinnern, die sie zu einem Kulturgut sondergleichen macht.

Seife in der ganzen Provence

Zwar ist Marseille das Zentrum der provenzalischen Seifenherstellung, allerdings wird in der gesamten Provence leidenschaftlich Seife produziert. Ein weiterer der Hauptproduktionsorte ist dabei die Kleinstadt Salon-de-Provence. Hier findet man noch altehrwürdige Seifenmanufakturen, die sich bereits zu ihrer Gründungszeit einen Namen machten und noch heute ihre kostbare Seife nach der tradierten „Orignialrezept“ produzieren. Immer wieder stößt man in Salon-de-Provence auf die unscheinbar wirkenden „Savonniere“ mit einem kleinen Geschäft vor der eigentlichen Manufaktur, in der meist schon seit mehreren Jahrhunderten die berühmte Seife hergestellt wird. Es ist der Ort, wo dem Wahren der provenzalischen Seifentradition ein besonders großer Wert zugeschrieben wird. Seither wehren sich die traditionellen „Savonnieres“ gegen die große Kommerzialisierung ihres Kulturguts und stellen daher immer noch mit der Hand und ohne große Maschinen ihre kostbare Seife her. Die beiden größten „Savonnieres“ in Salon-de-Provence „Marius Fabre“ und „Rampal Latour“ gehören gleichzeitig zu den einzig sechs verbliebenden Traditionsmarken in der Provence, die die provenzalische Seife nach dem mehr als dreihundert Jahre altem Verfahren und tradierten Rezeptur herstellen. Sie sind neben vier anderen Marseiller-Seifenhersteller die einzigen, die noch immer die charakteristischen 600g Seifenquader mit 72% Olivenöl-Gehalt produzieren.  

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