Fougasse

Es ist das provenzalische Brot und die französische Konkurrentin zum allbekannten Baguette: die Fougasse. Mit seiner weichen Kruste und dem luftigen Inneren überzeugt das einfache Hefebrot die Gaumen der Welt. Die Fougasse gehört wie kaum eine andere Spezialität zur Provence, wird es von den Provenzalen selbstverständlich zu fast allen ihrer Gerichte serviert. Denn die Fougasse ist eine wahre Alleskönnerin: Ihr simpler Grundteig kann mit all den herrlichen Geschmäckern der Provence verfeinert werden. Das provenzalische Brot hebt sowohl die lokalen Besonderheiten heraus, verbindet jedoch gleichzeitig die unterschiedlichen Regionen der Provence miteinander, schließlich sind alle Fougasse auf ihre unverzichtbare Zutat, dem Olivenöl, angewiesen.

Von der Provence in die ganze Welt

Leichte, flache Hefebrote wie die Fougasse zeichnen die Küche des gesamten mediterranen Raumes aus. Bereits der provenzalische Ausdruck „Fougasse“ lässt die Verwandtschaft zu den anderen ähnlichen Broten im Mittelmeerraum erahnen – so heißt die Schwester in Italien „foccacia“, in Spanien ist es die „fougassa“. Alle mediterranen Hefebrote sind in ihrer Zubereitung, ihrem Grundteig und ihrer Verfeinerung ähnlich. Allerdings hebt sich die „Fougasse“ aus der Provence trotz der Gleichheiten mit den anderen mediterranen Broten von ihren Verwandten ab, zeichnet sie sich durch das verwendete Olivenöl und seine charakteristische Form aus.

Ursprünglich rührt der Begriff Fougasse jedoch von dem lateinischen Ausdruck „panis focacius“. Damit wurde ein flaches Brot benannt, das auf einer Feuerstelle oder unmittelbar unter dem Feuer gebacken wurde. Der Zusammenhang des Brotes mit dem „focus“, der antiken Bezeichnung für eine Feuerstelle oder einen Ort zum Backen, rührt nicht von ungefähr. Denn das erste „panis focacius“ war, wie sein Name vermuten lässt, ein einfacher Fladen aus ungesäuertem Weizenmehl, der unter der Feuerasche gebacken wurde. Es ist einer der wohl ältesten Rezepte der Geschichte, das seit der Sesshaftigkeit der Menschen und ihrer Entdeckung des Feuers gebacken wurde. Das simple Rezept bewährt sich noch heute, denn das Fladenbrot des antiken Roms ist der Vorgänger der ewig verehrten Focaccia in Italien, aber auch der Fougasse in Frankreich. In der Provence sollte sich das einfache Fladenbrot jedoch mit der Entstehung des Bäckerhandwerks ändern. Nach wie vor bleibt es eng verknüpft mit dem Ort zum Backen. So standen die ersten Bäckermeister vor dem Problem, dass sie nie wussten, wann ihr Ofen die perfekte Temperatur erreicht hatte, um ihre Backkünste finalisieren zu können. Die Bäcker griffen daher zu dem einfachen Fladen, der schon seit Jahrhunderten im Feuer gebacken wurde. Jeden Morgen kneteten sie schnell einen Teig aus den simpelsten Zutaten, die sie als Grundlage für all ihre Backware hernahmen und gaben diesen in den Backofen. Erst, wenn das Hefebrot die perfekte Bräune erreicht hatte, wussten die Bäcker, dass ihr Ofen auf Temperatur war. Mit dem Backvorgang des einfachen Brotes wurde jeder Tag eingeleitet. Das gebackene Probebrot jedoch, dass die Bäcker schnell in irgendeiner beliebigen Form in den Ofen gegeben hatten, diente ihnen nicht zum Verkauf. Vielmehr war es die morgendliche Stärkung des Bäckers und seiner Gehilfen, die das Brot genüßlich verspeisten, um es nicht verkommen zu lassen. Mit der Zeit perfektionierten sie das morgendliche Ritual, um schließlich das perfekte Probebrot für die Einleitung jedes Backtages nutzen zu können.

Dabei stellten sie schnell fest, dass das simple Brot, das sie jeden Morgen schnell zubereiteten, eigentlich auch für den Verkauf geeignet ist. Denn für seine Zubereitung brauchten sie nur wenige Zutaten, seine Backzeit ist vergleichsweise kurz und die Bäcker mussten das Hefebrot sowieso für das allmorgendliche Aufwärmen ihres Ofens kneten. So priesen sie ihr einfaches Brot für relativ niedrige Preise an, handelte es sich letztlich um eine Art Abfallprodukt. Überraschend sorgte es bei Vielen für Begeisterung, überzeugte das Brot, das direkt von der Feuerstelle stammt, mit seiner Einfachheit allerlei Gaumen. Auch seine Form, die so lebendig wie kein anderes Brot wirkte, sorgte für Neugierde bei den Käufern. Die Bäcker sahen die Chance, aus dem einfachen Grundbrot viele verschiedene Brote kreieren zu können und verfeinerten den Hefeteig mit allerlei Zutaten. Die Provence bot ihnen glücklicherweise allerlei köstliche Zutaten, mit denen sie einfach und schnell ihre morgendlichen Hefebrote veredeln konnten. Langsam entstand die Fougasse, die sich nach dem orignialen einfachen Fladen aus der Antike nannte. Sie sicherte sich einen festen Platz in den boulangeries (Bäckereien) der Provence, sprach sie die Einfachheit und Anpassungsfähigkeit des Brotes mit seinem gleichzeitig herrlichen Geschmack schnell in der gesamten Region herum.

Das olivige Brot

Es gibt zwar eine große Vielfalt an Fougasse am Mittelmeer, doch stammt das Königsrezept aus der Provence. Es bedarf nicht viel, um ihren großartigen Geschmack zu erzeugen. Denn der einfache Hefeteig erhält mit der Geheimzutat der Provence sein wunderbares Aroma: das goldene Olivenöl. ES darf bei keiner Zubereitung fehlen und die Provenzalen sparen nicht an ihrem Gold. Es wird reichlich Öl in den Grundteig aus Weizenmehl und Hefe gegeben, um die charakteristische weiche Kruste und das luftige Innere der Fougasse zu erhalten. Das Olivenöl ist auch Voraussetzung für die weitere Verfeinerung des Hefebrotes, werden die verschiedensten Zutaten in das Öl gegeben und so mit dem Teig verknetet. In der Zugabe zu dem herrlichen Öl können sich die Provenzalen an der herrlichen Vielfalt ihrer Landschaft bedienen. Es kann vielerlei das köstliche Hefebrot ergänzen: grüne oder schwarze Oliven, um den sanft-herben Geschmack des Olivenöls zu verstärken, ein paar sonnengereifte und anschließend getrocknete Tomaten oder ein paar Zwiebeln können die Fougasse veredeln. Natürlich dürfen oft die „herbes de Provence“ (Kräuter der Provence) nicht fehlen, um dem Brot seinen provenzalischen Geschmack zu verleihen. Aber auch kleine Speckwürfel oder feingehobelter Käse wird gerne kurz vor dem Backen in den Teig eingearbeitet. Meist wird die Fougasse salzig genossen, glänzt sie jedoch auch in allerlei süßer Form. Manchmal wird der olivige Hefeteig mit etwas Zucker verfeinert, sodass die Fougasse fast einer buttrigen Brioche ähnelnd, dabei jedoch stets die charakteristische Note der Olive behält. Gleichzeitig wird das provenzalische Brot auch im Süßen mit den herrlich bunten Geschmäckern der Provence ergänzt. Denn beliebte Zutat für Süßes der Region sind Orangenblüten oder Orangenwasser, gibt das leichte Zitrusaroma dem einfachen Hefeteig eine besondere Note. So ist vor allem in Grasse die „Fougasse à la fleur d´orange“ bekannt, wo die Bäckerinnen und Bäcker die Orangenblüten mit dem herben Geschmack des Olivenöls abgestimmt haben. Auch in des „Alpes du Sud“ ist eine leicht gesüßte Variante der Fougasse zu finden, wird hier das gebackene Brot noch mit einer fein gezuckerten Schicht überzogen.

Die vielen Varianten der Fougasse sind nicht nur durch ihren Grundteig miteinander verbunden, vielmehr zeichnen sie sich durch ein weiteres gemeinsames Merkmal aus: ihre klassische Form, die jede „Fougasse“ zu einem wahren Hingucker macht. Denn auch hier sticht das französische Hefebrot von seinen mediterranen Schwestern hervor. Jede Fougasse ist einzigartig in ihrer Form und wird mit viel Liebe von den Bäckerinnen und Bäckern geformt. Erinnert man sich an den Ursprung des Brotes, so ist seither die unförmige Gestalt der Fougasse, das schnell am Morgen zur Probe der Ofentemperatur geformt wurde, ausschlaggebend für das provenzalische Brot. Mal erinnert seine Form an ein Blatt, mal an einen ganzen Baum oder an eine kleine Leiter. Das provenzalische Brot ist kein durchgehender Brotlaib, sondern der Teig ist mit verschiedengroßen Löchern versehen. Die Fougasse scheint sich zu verzweigen und wirkt durch seine unverwechselbare Form überraschend lebendig. Wird das kleine Brotbäumchen mit anderen Zutaten verfeinert, so scheint es fast, als würde die Fougasse Früchte tragen. Das Brot verkörpert dadurch nicht allein durch seinen frischen Geschmack, in dem alle Aromen der Provence zusammenkommen, seine Region, sondern ist auch durch seine Form Ausdruck der provenzalischen Natur. Die Lebendigkeit der Provence, ihr intensive Sonne und das „savoir vivre“ ihrer Bewohner werden in jeder Fougasse vereint.

Die Fougasse ist eine wahre Alleskönnerin und in allerlei Formen und Farben erhältlich, aber gleichzeitig in der gesamten Provence mit ihrem charakteristischen Grundteig gleich. Damit bringt das Hefebrot die große Region zusammen und gibt den einzelnen Gemeinden gleichzeitig die Möglichkeit, ihre lokalen Besonderheiten geschmacklich hervorzuheben. Denn es ist sicher, dass so ziemlich jedes provenzalische Aroma hervorragend mit der Fougasse komplementiert. Je nach Gebiet, Dorf, ja je nach Boulangerie (Bäckerei) ist das provenzalische Brot verschieden. Allerdings ist es auch die provenzalische Spezialität, die die Provenzalen und damit die gesamte Region miteinander verbindet. Nicht nur durch den gemeinsamen Grundteig wirkt die Fougasse vereinend, sondern ist es vielmehr das beliebteste Brot – neben dem Baguette – das auf den sonnigen Aperos oder zum Aperitif gereicht wird. Denn im Gegensatz zu dem altbekannten Stangenbrot, dem Baguette, ist die Fougasse an jeden Geschmack anpassbar, wird es nur selten als natürliches Brot verzehrt. In all seinen Varianten schmeckt es Groß und Klein und ist allgegenwärtig auf den provenzalischen Tischen bei geselligen Ereignissen.

Einer der besonderen Varianten, die sich in die Herzen der Provenzalen geschlossen hat, ist das weihnachtliche „pompe à l´huile“. Nein, es handelt sich dabei nicht um eine Ölpumpe, sondern um das traditionelle, süße Olivenbrot, das in der Weihnachtszeit überall in der Provence zu finden ist. Ebenfalls gehört das süße Brot zu den dreizehn provenzalischen Weihnachtsdesserts, die gemeinsam das Highlight des wohl bedeutsamsten Fests der Region sind. Wichtigste Zutat des „pompe à l´huile“ ist ähnlich wie bei der Fougasse das Olivenöl, darf daran auch bei dem Weihnachtsbrot nicht gespart werden. Geheimzutat für die weihnachtliche Note des süßen Brotes sind seine organischen Aromen, wie es in manchen süßen Varianten der Fougasse üblich ist. Doch das Orangenaroma im süßen Weihnachtsbrot ist nochmal intensiver. Denn es werden sowohl einige Tropfen Orangenblütenwasser sowie ein wenig geriebener Orangenschale zu dem versüßten Hefeteig hinzugegeben, die das Dessert so besonders machen. Als weihnachtliche Variante der Fougasse ähneln sich die beiden Brote auch in ihrer typischen Form als Baum, erinnert heute das „pompe à l´huile“ gerne an einen Weihnachtsbaum. Als Teil der bedeutsamen und köstlichen dreizehn Weihnachtsdesserts der Provence würdigen die Provenzalen ihr besonderes Brot, das sie über das gesamte Jahr über schon in zahlreichen Varianten genossen haben.

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