Die Calissons d´ Aix

Königlicher Geschmack, königliche Herkunft und königliche Geschichte – die Calissons d´Aix sind rundum majestätisch. Nicht allein ihre edlen Zutaten in einem Gemisch aus weicher Mandelmasse verfeinert mit Melone, Orange und anderen kandierten Früchte, überzogen von einer knackiger, glitzernden „Königseis“-Zuckerschicht und gebettet auf eine zarte Oblate verzaubert seit Jahrhunderten allerlei Gaumen. Die Herkunftsgeschichte des feinen Mandelgebäcks ist ebenso mystisch wie bedeutsam für die provenzalische Kultur, bergen die kleinen ovalen Calissons ein umso größeres historisches Erbe in sich.

Geschichte

Seit mehr als 500 Jahren sind die kleinen mandelförmigen Gebäcke die charakteristische Spezialität von Aix-en-Provence. Manche sprechen der pittoresken Kleinstadt ihren heutigen exklusiven Ruf ihren Calissons zu, tragen sie schließlich den Namen der Stadt in ihrem eigenen. Mit absoluter Sicherheit lässt sich jedoch die Herkunft und Entstehung der „Calissons d´Aix“ nicht sagen, ranken sich einige Mythen und Geschichten um die kleine Süßspeise, doch vermag ihr Ursprung in die königlichen Gemäuer des fünfzehnten Jahrhunderts führen.

1454 soll zu Ehren des damaligen französischen Königs Roi René d´Anjou in der königlichen Backstube ein ebenso königliches Dessert gesucht worden sein, dass nicht nur den König selbst überzeugen sollte, sondern eine große Strahlkraft über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus haben sollte. In der Provence ist Roi René als „Bon Roi“ (Guter König) bekannt, blühte unter seiner Herrschaft und von seinem künstlerisch-wissenschaftlichen Hof in Aix-en-Provence seine Grafschaft, die Provence, regelrecht auf. Nun stand ein ganz besonders Fest vor den Türen von Aix-en-Provence: die Heirat von „Bon Roi René“ mit der für ihre Schönheit bekannten Jeanne de Laval. So geschah es, dass der „pâtissier de la cour“, der Konditor des Königs, ein besonders edles Gebäck entwarf. Doch dabei drehte sich die Kreation nicht um den König, sondern um seine neue Gemahlin. Es wird erzählt, dass jener Pâtissier den traurigen Blick der neuen Königsgattin sah, die nicht sonderlich erfreut über ihre bevorstehende Ehe und ihren Gatten gewesen sein soll. Die neue Süßspeise, die ihr zu Ehren kreiert worden war und in ihrer Form an ein Lächeln erinnert, ließ die Angetrauten über das ganze Gesicht erstrahlen. Ihr wunderschönes Lächeln ähnelte nicht nur dem Glanz des innovativen Mandelgebäcks, sondern sorgte sogleich für Neugier beim Hof. Hier soll das frisch getraute Königspaar gefragt worden sein: „Wie nennen Sie die Süßigkeit, die die Königin zum Lächeln bringt?“ In der Königsantwort im damaligen Provenzalisch „Di calin soun“ (Das sind Umarmungen) ergab sich sogleich die Bezeichnung für das lächelnde Gebäck: calisson (calin soun) – die bis heute jedem Genießer die Zunge umarmen und ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.

Allerdings muss es nicht der kreative Geist des Hofbäckers gewesen sein, der die exklusive Süßigkeit völlig neu erfand. Seit dem 12. Jahrhundert und vielleicht sogar davor, war im Mittelmeerraum und insbesondere in Italien ein Mandelgebäck unter dem Namen „calisone“ bekannt, das ähnlich wie das heutige Marzipan geschmeckt haben soll und von begeisterten Schreibern in ihren mittelalterlichen lateinischen Texten erwähnt wurde. Dieses feine Gebäck verbreitete sich durch die italienischen Expansionsbestrebungen in weiten Teilen des Mittelmeerraumes und wurde hier zum Teil mit regionalen Gewürzen verfeinert. Möglich ist es also, dass der Pâtissier von König René d´Anjou das köstliche Mandelgebäck aus dem Nachbarland kannte und zur Aufmunterung der neuen Königin die Mandelpaste mit den herrlichen regionalen Delikatessen verfeinerte und so die Calissons schuf. Ob er sich an dem italienischen Mandelgebäck wirklich erst zu Ehren der Hochzeit probierte, ist jedoch ebenso ungewiss. Fest steht jedoch, dass es im weiten Herrschaftsgebiets der Anjous einen regen Austausch zwischen Italien und der Provence gab und die feinen italienischen „calisone“ so in die Residenzstadt des Königs gelangte.

Erbe

Natürlich erfolgt die Herstellung der echten Calissons noch nach dem uralten Traditionsrezept, dass einst der Königspatisseur im 15. Jahrhundert entwickelt hatte. Wahre Calissons d´Aix dürfen zumal nur in Aix-en-Provence herstellt werden, schließlich tragen sie den Stadtnamen in ihrem eigenen. Zudem gehört zur Herstellung der Süßigkeit einiges Now-how, weshalb sie ausschließlich von gelernten „Calissonieres“ gefertigt werden dürfen. Diese erlernen das traditionelle Rezept, das von Generation an Generation weitergegeben wurde und mit dem sie das traumhafte Dessert zaubern können.

Heute gibt es noch ein paar Traditionshandwerke, die die Kunst der Calissoniers weiterführen und die original Calissons d´Aix produzieren dürfen. Am bekanntesten mag hier wohl die „Confisierie du Roy René“ sein, die sich nach dem König benannte zu dessen Ehren einst das kostbare Mandelgebäck konzipiert wurde. Das bis heute in Familienhand geführte Unternehmen feierte erst kürzlich ihr hundertjähriges Bestehen und stieg seit der ersten kleinen Boutique 1920 zu dem wahrlichen Markenführer für provenzalisches Konfekt, allen voran ihren berühmten Calissons, auf. Direkte Konkurrenz ist die weitaus ältere Confiserie „Léonard Parli“, die seit 1874 nicht nur für seine hervorragenden Calissons berühmt sind, sondern ebenso für allerlei andere Delikatessen des Confiserie Handwerks wie kandierte Früchte, Schokolade oder Nougat. Selbstverständlich liegen die großen Herstellungsfabriken der beiden großen Süßwarenproduzenten am Rande von Aix-en-Provence, wo die einzelnen Arbeitsschritte nach uraltem Rezept bei einem Besuch beobachtet werden können. Ihre berühmten Süßwaren lassen sich jedoch in mehreren kleinen Boutiquen in der Innenstadt von Aix, aber auch anderen provenzalischen Städten, erstehen.

Doch nicht nur in den berühmten Confisieren nimmt das ovale Mandelgebäck einen exklusiven Platz ein. Vielmehr verbreitete sich die exquisite Süßware schnell über die Grenzen des königlichen Hofes aus und eroberte damit schnell die Herzen aller Provenzalen. Als Delikatesse zeichnet es nicht nur seinen Heimatort Aix-en-Provence aus, sondern stieg ebenso zu einer regionalen Spezialität auf, die aus der Provence nicht mehr wegzudenken ist. Somit fand es schnell Einzug in die provenzalische Tradition, weshalb es fester Bestandteil des wohl bedeutendsten Mahls in der Provence ist: den 13 Weihnachtsdesserts. Hier wird neben allerlei anderen lokalen und regionalen Spezialitäten selbstverständlich die edle Süßigkeit aus der einstigen regionalen Hauptstadt aufgetischt, die durch ihre Zutaten, Herstellung und Herkunft Einiges der provenzalischen Kultur und Geschichte in sich vereint. Aber nicht nur zu Weihnachten erfreuen sich die Provenzalen an ihrem besonderen Gebäck. Das ganze Jahr über sind Calissons nicht nur für Touristen ein beliebtes Geschenk oder Versüßung des eigenen Alltags.

Zubereitung

Alles beginnt mit der glitzernden, schneeweißen Zuckerschicht, die wie eine royale Eisschicht als knackige Kruste die sämige Mandelmasse bedeckt, die den Gaumen mit zitroniger Frische aus kandierter Melone und kleinen Splittern Orangenschale zusammen mit dem süß-bitteren Zartheit der zerkleinerten Mandeln verzückt und schließlich von einer feinen Oblate aufgefangen wird.

Die ovale Form und goldene Farbe der edlen Süßspeise lässt bereits auf seine feine Hauptzutat schließen: die Mandel. Als Königin der Nüsse und heimliches Symbol der Provence sind Mandel die hervorragende Zutat für das exklusive Gebäck, das einst für den französischen König und seine neue Gemahlin geschaffen wurde. Geröstet und anschließend zu einer sämigen Masse zerkleinert kann die edel Nuss ihre zarten Aromen besonders gut entfalten. Verfeinert wird die Mandelpaste insbesondere durch kandierte Melonen und einem Hauch an Orangenschalen, die in ihrer Kombination die besondere Frische zu der Süße geben. Gebettet auf eine feine Oblate wird die Mandelpaste von einer glitzernden Glasur aus Eischnee und Kristallzucker bedeckt, die auch unter dem Namen „glace royale“ (Königseis) in der Welt der Konditoren berühmt ist. Allerdings ist es von Calissonier zu Calissonier unterschiedlich, welche Geheimzutat letztlich ihre eigenen Kreationen abrundet. Es wird regelrecht mit verschiedenen Zutaten experimentiert, um einzigartige Geschmäcker zu kreieren, die alle Sinne verzaubern. Dabei sind es insbesondere die kandierten Früchte, die als kleine Diamanten der Provence auf unterschiedliche Art und Weise zum Einsatz kommen. Mal sind es kandierte Aprikosen, mal kandierte Orangen oder Mandarienen, doch manchmal sind es aus kleine Hinzugaben von Honig oder Orangenblütenwasser, die die verschiedenen Rezepte ausmachen.

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. provefan sagt:

    Ein köstlicher (göttlicher) Genuss! Augen schließen und genießen.

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar