Les 13 desserts

Les treize desserts – Damit verbindet man Weihnachten in der Provence! In ganz Frankreich gibt es die verschiedensten Brauchtümer zu Ehren der Festlichkeiten am Jahresende, doch für jenes ihrer dreizehn Desserts sind die Provenzalen über die Grenzen Frankreichs bekannt. Sie zählen daher wohl zu einer der berühmtesten kulinarischen Weihnachtstraditionen und verbreiten die Kultur der Provence auf der ganzen Welt. Damit kommt den köstlichen regionalen Süßspeisen eine große Bedeutung in der provenzalischen Kultur zuteil, repräsentieren sie schließlich die hiesige bunte lokale Vielfalt und sind daher die süße Krönung des wichtigsten Fests in der Provence.

Tradition

Die Zusammenstellung der vielen regionalen Süßspeisen kommt ein besonders großer Stellenwert in der Tradition und Kultur der Provence zuteil. Denn letztlich repräsentieren die dreizehn Desserts vielmehr den regionalen Charakter der Provence und seiner Bewohner als den religiösen Anlass, auch wenn die einzelnen Delikatessen durchaus in Verbindung mit dem Weihnachtsfest stehen. Deutlich wird hier erneut die Wertschätzung des Weihnachtsfestes in der provenzalischen Kultur. Denn hier verbindet sich die Provence mit dem christlichen Fest, bei dem die für die Provence wohl wichtigsten Traditionen, Brauchtümer und Riten praktiziert werden. Die köstlichen Naschereien am Ende des Weihnachtsabends, bevor es am Morgen des 25.12 zur großen Bescherung kommt, bilden daher für viele das kulturelle Highlight des Jahres in der Provence. Dabei fällt den Desserts eine gesonderte Stellung im gesamten provenzalischen Weihnachtsritus zu, schließlich werden sie zwar als Nachspeise nach dem großen Weihnachtsessen, dem „gros souper“, serviert, doch besuchen die Provenzalen traditionell zwischen Hauptspeisen und Desserts die Weihnachtsmesse, um anschließend den Weihnachtsabend mit den dreizehn Nachspeisen abzurunden.

Dreizehn könnte angesichts des christlichen Festes zunächst eine verwunderliche Zahl sein, doch werden sinnbildlich für Jesus und seine zwölf Jünger die dreizehn kleinen Desserts als krönender Abschluss des großen Weihnachtsessens gereicht. Ihre Anzahl darf dabei keineswegs als Unglückszahl missverstanden werden, sondern steht ganz im Zeichen des Abendmahls und des Teilens in der Weihnachtszeit. Diese Zahl, die heute das Brauchtum der Provence zur kleinen Weltberühmtheit macht, ist jedoch noch nicht Teil der ursprünglichen, uralten Tradition, sondern trat vielmehr erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Außerdem war bis zu diesem Zeitpunkt kaum etwas über die vielen kleinen Weihnachtsdesserts bekannt, auch wenn sie heute zum festen Charakteristikum der Provence gehören. Ob diese davor in der heute bekannten Form schon serviert wurden, ist daher umstritten. Allerdings wurden sie bereits 1683 in den Schriften vom Pfarrer François Marchetti in Marseille beschrieben, der das Anbieten zahlreicher Desserts zu Weihnachten als Zeichen des Wohlstandes einer Familie beschrieb. Dabei nannte er jedoch keine genaue Anzahl oder Auflistung der traditionellen Süßspeisen, doch stellte er hier den generellen Brauch des Reichens von vielzähligen Nachspeisen zu Weihnachten dar. Daraufhin kam es bis in die 1920er nur vereinzelnd zu ähnlichen schriftlichen Berichten über das Brauchtum in der Provence, doch wurde nirgends die heute bekannten 13 Desserts en détail als festgelegte Tradition beschrieben. Erst 1925 wurden die treize desserts das erste Mal als solche erwähnt und aufgelistet. Dabei stehen diese dreizehn Köstlichkeiten, wie kann es anders sein in der Provence, in enger Verbindung mit Verfechter provenzalischen Kultur und Sprache: Frédéric Mistral. Mit seiner Gruppe der Félibriges gelang es dem Nobelpreisträger in den 1850er Jahren die provenzalische Kultur vor dem Aussterben zu bewahren, denn sie versuchten durch das Beschreiben der Festlichkeiten, Riten, Bräuche und vor allem durch das Niederschreiben der provenzalischen Sprache, die Tradition ihrer Region wiederaufleben zu lassen und zu verewigen. Dabei nannte Mistral selbst nie die heute für die provenzalische Kultur so zentralen 13 Desserts, doch war es einer seiner Mitstreiter der Félibriges, der 1925 diesen weihnachtlichen Brauch beschrieb.

Diese Tradition ist dabei keineswegs in der Provence einzigartig. Die Fülle an verschiedenen Süßspeisen zu besonderen Festlichkeiten ist in der mediterranen Kultur keine Seltenheit. In Katalonien und im Languedoc werden zum Weihnachtsfest ebenso eine Vielzahl an unterschiedlichsten Süßigkeiten gereicht, die jenen der weihnachtlichen 13 Desserts ähneln. Doch Weihnachten ist dabei nicht das einzige Fest, an dem das Servieren eines üppigen Desserts üblich ist. Ebenso werden in anderen Kulturen vor allem zum Neujahrsfest zahlreiche verschiedene Süßigkeiten aufgetischt. So sind die 13 Desserts durchaus mit dem Festmahl am Rosch ha-Schana (dem jüdischen Neujahrsfest) zu vergleichen, doch auch im antiken Griechenland wurde eine ähnliche Tradition praktiziert.

Die kleinen Leckereien stehen zudem keineswegs ausschließlich im Zeichen der Religion, sondern verkörpern vielmehr jede für sich die Provence und seine Kultur. Jedes Dessert ist eine regionale Spezialität, die das Reichtum und Vielfalt der Provence symbolisiert und damit sinnbildlich für die provenzalische Tradition steht. Somit sind die eigenen dreizehn Desserts nicht gleich dieselben dreizehn Desserts am Weihnachtstisch des Nachbarhauses, denn neben den vier fest etablierten ersten vier Delikatessen, können die restlichen Nachspeisen je nach Region, Dorf oder sogar Familie variieren. Ganze 55 Variationen des berühmten Desserts soll es daher in Südfrankreich verteilt geben, doch sind diese Unterschiede meist nur sehr gering. Zudem wird diese alte Tradition zunehmend kommerzialisiert, weshalb es durchaus Bestrebungen gibt, sich auf feste 13 Desserts zu einigen, um diese einfacher verkaufen und kaufen zu können. Allerdings gehört es zur festen Tradition und Ehre der Provenzalen, jede der aufgetischten 13 Nachspeisen zu kosten, sei es nur ein kleiner Biss, der angesichts der vielfältigen Köstlichkeit ein leichter sein sollte. Außerdem ist der berühmte Nachgang ohne den begleitenden Dessertwein unvorstellbar. Dieser repräsentiert nicht nur die bedeutende Keltertradition der Region, sondern rundet die einzelnen Desserts mit seiner besonderen Note ab. Dabei variiert der gereichte Wein wie die Zusammenstellung der Süßigkeiten von Haushalt zu Haushalt, Heutzutage ist es außerdem nicht unüblich, vin chaud, also Glühwein, oder ein anderes Heißgetränk wie eine Tasse Tee oder Kakao zum Nachtisch an Weihnachten zu trinken.

Die Desserts

Es kursieren einige verschiedene offizielle Auflistungen der dreizehn Desserts in allen möglichen Teilen der Provence. Dabei gilt jedoch keine als gesetzt, sondern vielmehr genießen die Provenzalen ihren großen kulinarischen Freiraum, am Weihnachtsabend jene köstlichen Desserts zu servieren, die sie persönlich nicht missen wollen. Dabei steht allerdings oft fest, dass zu Beginn des süßen Nachgangs die sogenannten „quatre mendiants“ serviert werden, die die vier verschiedenen Ordensgemeinschaften als die „vier Bettler“ darstellen. Der Nachtisch beginnt mit Walnüssen oder Haselnüsse für die Augustiner, Feigen für die Franziskaner, Mandeln für die Karmeliten und Rosinen für die Dominikaner. Darauf folgen weitere neun kleine Nachspeisen, die alle auf ihre Art und Weise als Symbol für die Provence, ihre Bewohner und ihre Tradition dienen.

Meist wird nach den vier Bettlern ein süßes Olivenbrot gereicht, das je nach Region in seinem Teig variieren kann und daher entweder das traditionelle „pompe à huile“ mit Briocheteig oder ein eher härterer Hefeteig des „fougasse“ oder des „gibassier“ ist. Im Bilde des letzten Abendmahls darf das gereichte süße Brot unter keinen Umständen geschnitten werden, sondern muss gerissen (gebrochen) werden, ansonsten erwartet man Unglück. Daneben darf der herrliche Nougat aus beispielsweise Sault oder Aullach nicht fehlen, der gleich in seinen zwei bekanntesten Formen aufgetischt wird: hell und dunkel. Dabei steht der weiße Nougat für das Gute und Heilbringende während der Schwarze das Böse symbolisiert, wobei natürlich beides gekostet werden muss, um sich an gute und schlechte Tage zu erinnern. Ebenso hochwertig sind die berühmten „calisson d´Aix“, die durch ihren einzigartig feinen Geschmack und Status als charakteristische Delikatesse des Süden Frankreich, selbstverständlich auch zu den dreizehn Desserts gehören. Auf einigen Festtafeln findet man besonders an der Küste und hier vor allem in der Region um Marseille ganz im Sinne des Mittelmeers kleine Plätzchen in Form von Ruderbötchen, die herrlichen „navettes“, die mit traditionell mit Orangenblütenwasser verfeinert eine ebenso edle Delikatesse am Weihnachtsabend sind.

Neben dem unterschiedlichen traditionellen Gebäck zeigen die Weihnachtsdesserts die köstliche heimische Vielfalt des bunten Obstanbaus. Daher lassen sich neben den Süßspeisen ebenso kleine Fruchtstücke von Birnen, Äpfel, (Honig-) Melone, Trauben, Prûnes (also Pflaumen) oder Mandarinen finden. Dabei variieren das servierte Obst von Haushalt zu Haushalt, denn es wird besonders Acht auf die Regionalität der Produkte gelegt, wobei in der Regel drei bis vier verschiedene Obstsorten gereicht werden. Diese fruchtige Vielfalt hört jedoch hier nicht auf. Selbstverständlich ist es jetzt Zeit für die kandierten Früchte (fruits confits) aus ihrer Hauptstadt Apt, aber auch die „pâte“ oder „confiture de coing“, einem ganz besonderen Quittenkonfekt. Außerdem gehören neben den Rosinen zu jedem Weihnachtsdessert die Datteln, die als exotische Früchte aus dem nicht allzu weit entfernten Ägypten an die Flucht der Jesusfamilie in den Orient erinnern. Obst spielt also eine maßgebliche Rolle bei den dreizehn Desserts, das die herrlich fruchtige Vielfalt der Provence in allen möglichen Farben und Formen von frisch über getrocknet bis hin zu kandiert, eingelegt oder als Püree verarbeitet zur Schau stellt.

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