Frédéric Mistral – Nobelpreisträger und Provenzale

Niemand anderem lag das Provenzalische so sehr am Herzen wie dem Dichter Frédéric Mistral, der seiner unendlichen Liebe zu seiner Heimat Ausdruck in seinen Werken verlieh und damit die literarische Welt verzaubert. Stets inspiriert und begeistert von der Provence, schreibt er immerzu auf Provenzalisch und bringt dieses schließlich auf die Weltbühne als er 1904 den Nobelpreis für Literatur erhält.

Bedeutung für das Provenzalische

Lebensaufgabe und Hauptanliegen seines Schaffens sah Mistral in der Verbreitung und Bewahrung der provenzalischen Sprache, seiner Muttersprache, die bereits zu seiner Seit durch die landesweite Vereinheitlichung mit dem Französischen in ihrer Existenz bedroht war. In vielen Teilen Frankreichs setzen sich literarische Verfechter für den Erhalt ihrer regionalen Sprachen ein und bekämpften jenen Rückgang durch kreative Konzepte. In der Provence war Mistral eindeutig federführend in der Erhaltung des Provenzalischen beziehungsweise der regionalen Sprache, wenn nicht eher Sprachen, die in der Region der Provence gesprochen wurde(n). Dabei setzte sich Mistral nicht nur für den Erhalt ein, sondern trug maßgeblich zur Bildung eines einheitlichen Provenzalischen hin, das in dieser vereinheitlichten Form zuvor nicht existierte. So verband er die verschiedenen lokalen Sprachen miteinander und fixierte diese erstmals schriftlich. Seine Arbeiten sind häufig einzig heute noch existierende schriftliche Zeugnisse der regionalen Sprache der Provence.

Bedeutung für die Provenzalen

Unersetzlich wurde damit sein von 1879 bis 1886 erschienenes Werk „Lou tresor dóu Félibrige“ (der Schatz des Félibrige), einem Wörterbuch der provenzalischen Sprache, das die verschiedenen provenzalischen Dialekte berücksichtigt, gleichzeitig jedoch eine Vereinheitlichung und Festigung des Provenzalischen schafft. Dieses Wörterbuch verkörpert gleichzeitig den Höhepunkt der Bewegung der Félibrige, dessen Gründer und Mitglied Mistrals war und die sich als Verbund verschiedener Literaten für den Erhalt und die Wiederentdeckung der provenzalischen Sprache einsetze. Sie ist eine für die diese Zeit nicht unübliche Nationalbewegung, dessen Mitglieder jedoch ein besonderes Augenmerk auf die Bedeutung der Sprache für ein nationales Identitätsgefühl legten. Ihr Einsatz und ihre Bemühungen waren damit wesentlich für provenzalische Nationalbewegungen, die die provenzalische Kultur und Tradition in der zunehmenden Zentralisierung Frankreichs bewahren wollten. Mistral selbst forderte die geistige und kulturelle Unabhängigkeit der Provence gegenüber dem übergreifenden Französisch. Anfangs noch mit Forderungen der politischen Autonomie der Provence, hob Mistral in seinen literarischen Werken die provenzalische Kultur hervor und verband diese mit Überlieferungen aus der Antike. Damit kämpfte er gegen die Vorurteile der noblen Literaturszene, das Französische als die edle Literatursprache anzuerkennen und Provenzalische als rückständig abzutun. Diese Vorurteile sind Projektion der generell anhaltenden Auffassung, die Provence sei von einer Rückständigkeit sondergleichen befangen, der durch die Zentralisierung Frankreichs Abhilfe geschaffen werden soll. Um jedoch in der Pariser Literaturszene Fuß fassen zu können, schreibt Mistral nicht ausschließlich in seiner geliebten Heimatsprache, denn viele seiner Werke sind in Französisch verfasst, mit denen er sich bald einen Namen unter den großen Literaten seiner Zeit auch im Ausland macht. Seinen guten Ruf und seine Bekanntheit nutzt Mistral als wohl bekanntester Vertreter der provenzalischen Nationalbewegung, um auf deren und seine Forderungen Aufmerksam zu machen.

Weg zum Nobelpreis

Sein bekanntestes Werk ist sein nach acht Jahren Arbeit 1859 erschienenes Versepos „Mirèio“ (Mireille) bestehend aus zwölf Liedern. Es erzählt die tragische Liebesgeschichte der Bauerntochter Mireille und Vincent, zwei junge Provenzalen, deren Liebe ihre unterschiedlichen sozialen Hintergründen im Weg steht. Gleichzeitig gesellschaftskritisch und modern verfasst, verkörpert es ebenso das Provenzalische in Sprache und Kultur, denn er bediente sich alten provenzalischen Sagen und lässt die Handlung in einem typischen provenzalischen Setting spielen. Natürlich ist sein bekanntestes Werk in Provenzalisch verfasst, wurde jedoch in insgesamt mehr als fünfzehn verschiedene Sprachen übersetzt und schließlich von Charles Gounod als Oper inszeniert. Damit erreicht das Provenzalische die Weltbühne und verzauberte ein internationales Weltpublikum. Für dieses und seinen Einsatz für das Provenzalische wird Mistral schließlich mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet und Mistral für seine „bedeutungsvolle Wirksamkeit als provenzalischer Philologe“ herausgestellt, der seine Heimat durch moderne Dichtung künstlerisch darstellt. Das Preisgeld verwendete Mistral, um in seinen letzten Jahren eine umfassende ethnologische Sammlung in Arles auszubauen, die er bereits einige Jahre zuvor 1896 gegründet hatte und die bis heute im Hôtel Laval-Castellane einige Exponate zur provenzalischen Kultur und Tradition sowie seiner Bewegung der Félibrige ausstellt. Damit schuf Mistral einen Ort, an dem die Tradition der Provence lebendig gehalten wird, womit Mistral noch heute Einfluss auf die Eigenständigkeit des Provenzalischen hat.

Mit dem berühmten Wind Mistral hat der Dichter hingegen wenig zu tun. So ist die Bezeichnung der Böen, die im Frühling und Herbst in der Provence und am Mittelmeer für eine Abkühlung sorgen, zwar identisch mit dem Nachnamen Mistrals, doch geht die Benennung nicht als Hommage an den für die Provenzalen wichtigen Patrioten, sondern ist vielmehr provenzalisch und bedeutet Meister. Allerdings erblüht die zart rosafarbene Rose Frédéric Mistral, die in Anlehnung an den bedeutenden Provenzalen den Duft der Provence in die Gärten der Welt verbreitet.

4 Kommentare Gib deinen ab

  1. Toller Artikel über ein Herzstück der Provenzalen. Einer der das Erbe von Mistral fortgeführt hatte und sich sehr für den Erhalt der Sprache eingesetzt hatte war Pierre Pessmesse, der frühere Bürgermeister von Buoux. Im Tal der Aigue Brun betrieb er ein Restaurant/Hotel, dass heute von seiner Tochter fortgeführt wird. Ein sehr interessanter Mann, der viel zu erzählen wusste über seinen Luberon.

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen Dank!
      Wie interessant und schön zu hören, dass es auch heute noch echte Provenzalen gibt, die sich für ihre Sprache und Kultur einsetzen 🙂

      Like

  2. Susanne sagt:

    sehr schöner, interessanter Beitrag! 🙂

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar