Die Kunst der Provence

Leuchtende Farben, unbeschreibliches Licht, atemberaubende Natur und allerlei wunderbare Motive – das reizt schon viele Künstlerinnen und Künstler, die Provence als ihre Inspiration anzusehen. Einige namenhafte Kunstschaffende wurden von der malerischen Landschaft der Provence verzaubert und von der Region zu neuen Werken angeregt. Manche fanden hier ihr künstlerisches Ich, erfanden sich neu oder verliebten sich in einfach in das künstlerische Ambiente der Region. Die Provence zieht Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt in ihren Bann, die allesamt versuchen das, was sie so sehr an dem kunstvollen „Provenzalischen“ fasziniert, festzuhalten. Vor allem in der Zwischenkriegszeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte die Provence einen regelrechten Künstlerboom, als sich einige Berühmtheiten aus Paris in die pittoresken provenzalischen Dörfchen begaben. Denn die Provence ist das Land des künstlerischen Lichtes und der Farben und aus jeder Perspektive himmlisch anzusehen. Die Kunstschaffenden begannen hier mit ihrer Kunst zu experimentieren und bedienten sich an den unterschiedlichsten Methoden, wodurch sie die Provence aus den verschiedensten Blickwinkeln und Perspektiven erstrahlen ließen.

Von Paris an die Mittelmeerküste

Vor allem an der Côte d´Azur findet man einige Spuren großer Künstlerinnen und Künstler, die von dem Meeresrauschen der Küste angezogen wurden. Viele Kunstschaffende, die sich bereits in der Künstlerhauptstadt Pariser einen Namen gemacht haben, zog es an die Mittelmeerkünste. Vor allem die großen Küstenorte wie Nizza, Saint-Tropez und Cannes erfreuten sich großer Beliebtheit bei den Berühmtheiten aus Paris. Ob Matisse, Chagall, Signac, Monet, Picasso, Bonnard oder Renoir – sie alle vereint die Liebe zur Provence. Viele von ihnen erschufen hier einige ihrer bedeutendsten Werke oder erfanden sich und ihr künstlerisches Talent neu. Die Provence galt für viele als sicherer Rückzugsort, Ruheoase und friedvolles Idyll, wo sie ihrer Kunst ungestört nachgehen konnten. So war es beispielsweise Pierre Bonnard, der sich bei Beginn des 2. Weltkriegs in sein geliebtes Anwesen in den Bergen von Cannes zurückzog. Wie viele andere Künstlerinnen und Künstler seiner Zeit war Bonnard auf der Flucht vor den Restriktionsmaßnahmen der Nationalsozialisten, die die freie Kunstentfaltung, wie sie zuvor in den goldenen Zwanzigern gelebt wurden war, unterbanden. Bonnard ist daher nur einer von vielen Kunstschaffenden, die von Paris in die abgelegenen Dörfchen der Provence flüchteten, wo sie den Krieg ausharten und im Verborgenen weiterhin ihrer Leidenschaft nachgehen konnten.

Aus einer anderen, aber doch ähnlichen Intention heraus wählte ebenso Pablo Picasso immer wieder die Provence als seinen Rückzugsort, den er schon in seinen jungen Jahren bei seiner Ankunft in Frankreich auf dem Weg nach Paris über die mittelalterliche Papststadt Avignon für sich entdeckt hatte. Zeit seines Lebens flüchtete der Maler immer wieder in die Provence, um seiner Kunst nachgehen zu können, bis er sich schließlich für fast 30 Jahre bis zu seinem Tod in der Provence niederließ. Der gebürtige Spanier erkundete die Provence wie kaum ein anderer Künstler, kaufte Anwesen an allen möglichen provenzalischen Orten und entdeckte schließlich die provenzalische Mittelmeerküste für sich. Auf seiner Reise durch die Provence faszinierte Picasso nicht nur die atemberaubende Landschaft mit all ihren außergewöhnlichen Motiven, Farben und Strukturen, sondern fand er auch in einem ihm fremden Kunsthandwerk Gefallen, das schon seit Jahrtausenden Teil der provenzalischen Kultur ist. Nach einem Aufenthalt in der Hauptstadt der Fayence-Keramik Moustiers-Sainte-Marie, war Picasso von der Töpferei und der Keramik der Provence begeistert und begann sogleich sich mit Ton und Keramik auszuprobieren. Er entdeckte dabei nicht nur sein bis dahin für ihn unentdecktes Talent der bildenden Kunst, sondern fand seine neue Liebe durch die Arbeiten im Töpferhandwerk. Nicht nur war er mit seiner Muse François Gilot in eines der Dörfer des Töpferns gezogen, sondern lernte er hier, in Vallauris, seine spätere zweite Ehefrau kennen. Die Keramikverkäuferin Jaqueline Roque eroberte das Herz von Picasso, als der Maler sie in einer der vielen Töpfereien kennenlernte. Wie sich Picasso in der Provence neu erfand, so lenkte auch Marc Chagall angeregt durch die provenzalische Tradition neue Wege in der Kunst ein. Chagall faszinierte vor allem die intensiven Farben der Landschaft, doch auch die künstlerische Tradition ihrer Bewohner. Wie Picasso widmete er sich, nachdem er ebenfalls an die Côte gezogen war, dem lokalen Kunsthandwerk der Töpferei. Chagall tauschte Pinsel gegen den Ton der Provence und experimentierte mit der berühmten Keramik der Region, die bereits zu Zeiten des Sonnenkönigs als Luxusgut der Königshäuser in Europa galt.

Genesen durch Farben und das Licht

Wenn die provenzalische Sonne scheint, der Mistral alle Wölkchen weggepustet und der tiefblaue Himmel der Provence zu sehen ist, dann zeigt sich die Provence von ihrer künstlerischen Seite. Nun scheinen jede Blüte, jeder Hügel und jedes Bauwerk in dem sanften Licht und den leuchtenden Farben ein Kunstwerk zu sein. Es ist diese Anziehungskraft, die Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt in die Provence lockt. Das unbeschreibliche Licht der intensiven provenzalischen Sonne taucht mit ihren goldenen Sonnenstrahlen die pittoreske Landschaft in ein sanftes Ambiente. Die Provence scheint unter dem goldschimmernden Licht plastischer denn je zu sein, doch ohne dabei jeglichenHärte auszustrahlen. Gleichzeitig lässt dieses Licht die Farben der Provence erleuchten. Das Lila der Lavendelblüten, das Rotorange des Ockers, das Grün der Eichenwälder und Weinstöcke, das Oliv der weiten Olivenhaine – all das scheint unter dem besonderen Licht noch intensiver zu leuchten. Gleichzeitig sind es genau diese Farbtöne, die die Provence so zauberhaft erscheinen lässt. An ihrer natürlichen Farbpalette bedienen sich die Künstlerinnen und Künstler nur zu gerne, schließlich wollen sie den Traum der Provence, der sich vor ihren Augen entfaltet, festhalten. Zugute kommt ihnen die provenzalische Tradition der Farbherstellung. Vor allem das Ockerpigment dient als ideales Färbemittel, womit jeder Kunstschaffende ein Stückchen der natürlichen Färbung der Provence auf die Leinwand bringen kann.

Es ist diese unbeschreibliche Natur der Provence, die eine wohltuende Wirkung auf jeden ihrer Besucher hat. Das spürten auch einige Pariser Künstler, die sich von dem Trubel der Kunsthauptstadt in die wohltuenden Arme der Provence begaben. Das sanfte Licht und die intensiven Farben verzaubern sowohl das das Künstler-Ich eines jeden als auch Körper und Seele zugleich. So ließen sich vor allem Künstlerinnen und Künstler in der Provence in ihren letzten Lebensjahren nieder, um an ihrem Lebensabend die Kunst noch einmal in vollen Zügen genießen zu können. Ihnen gefiel die Ruhe der Landschaft und gleichzeitig das künstlerische Ambiente der Region, die sie immerzu anregt, neue Werke zu schaffen. Es waren Renoir, van Gogh, Matisse, Chagall und viele weitere, die vornehmlich zur Genesung in die Provence kamen. Als wohl tragischster Fall der leiden Kunstschaffenden gilt Vincent van Gogh. Als seine Leiden zunahmen, fuhr er in den Süden Frankreichs und gründete in Arles das Atelier des Südens, zunächst sein künstlerisches Potential in vollen Zügen ausschöpfen konnte. Ihm gefiel die Provence, die ihn so sehr an seine niederländische Heimat erinnerte und wo er ganz in seinem Element der Freilichtmalerei nachgehen konnte, wie es ihm sein Freund, der Provenzale Paul Cézanne, vorgemacht hatte. Doch leider war sein mentaler Aufschwung in Arles nur von kurzer Dauer, denn er erlitt zunehmend schwere Ausbrüche, schnitt sich in seiner Verzweiflung sein Ohr ab und wies sich schließlich selbst in die Nervenheilanstalt in der Nähe von Saint-Rémy ein. Hier, inmitten der provenzalischen Natur, fand van Gogh für kurze Zeit wieder zu seiner geliebten Kunst zurück und befand sich deutlich auf dem Weg der Besserung. Erst, als er von seiner liebgewonnenen provenzalischen Natur Abschied nehmen musste und in den Norden Frankreichs zog, verschlechtere sich wieder sein Zustand. Van Gogh fand daher sowohl Hoffnung in der Provence, aber gleichzeitig steht die Region auch für die Leiden des heute so berühmten Künstlers. Ganz anders als van Gogh erging es Pierre-Auguste Renoir, der zwar auch zur Genesung in die Provence kam, sich jedoch anderes als van Gogh bewusst dazu entschied hatte,  in die klare Luft der Provence und unter die immerzu strahlenden Sonne gegen sein Rheumaleiden zu ziehen. Er kaufte sich eine „Domaine“ in Cagnes-sur-Mer nahe Nizza, wo er bis zu seinem Tod im Garten unter freiem, tiefblauem Himmel malte. Renoir hatte hier das Gefühl, endlich an seinem Platz in der Welt angekommen zu sein, wie es sein Sohn später erklären soll, jedoch auch an der Arbeitswilligkeit Renoirs zu sehen ist, schließlich stand er jeden Tag in seinem provenzalischen Garten und malte. Die provenzalische Landschaft scheint die ideale Muse für Renoirs außergewöhnlichen Stil zu sein, verliebt sich der Maler schnell in die Schönheit dieser farbenfrohen, leuchtenden Region. Er ist nicht der einzige Künstler, der sich bewusst zur Genesung an die provenzalische Mittelmeerküste begab. Auch Henri Matisse erhoffe sich Linderung seiner chronischen Bronchitis durch die frische Meeresluft und die strahlende Sonne. Von Paris zog Matisse daher nach Nizza, wo er zunächst die herrliche Landschaft und das wunderschöne Meer malte. Doch schon wenig später soll Matisse hier, an der Côte d´Azur, ganz in der Nähe von Nizza eines seiner außergewöhnlichsten Kunstwerke hinterlassen. Inzwischen war seine Bronchitis gelindert und Matisse fühlte sich durch das wunderbare provenzalische Klima gestärkt, sein künstlerisches Talent neu auszuschöpfen. Er wurde mit dem Bau einer kleinen Kapelle in der Ortschaft Vence beauftragt und machte sich mit neuer Kraft direkt an sein bald liebgewonnenes Herzensprojekt. Er entwarf die „Chapelle du Rosaire“ (Rosenkapelle), die Hauskapelle des Dominikanerklosters von Vence. Heute ist Vence mit seiner Kapelle von Matisse zur Pilgerstätte für Kunstbegeisterte geworden ist, denn Matisse selbst bezeichnete die Rosenkranzkapelle in Vence, die kurz vor seinem Tod in Nizza eingeweiht wurde, als sein künstlerisches Hauptwerk. Er kürt damit seine knapp 40 Jahre in der Provence kürt.

Kunst der Provenzalen

In der Provence tummeln sich die künstlerischen Genies der ganzen Welt. Allerdings haben die Provenzalen selbst auch ein künstlerisches Talent und einige Tradtion, in der das kunstvolle Schaffen eine entscheidende Rolle spielt. Vor allem ein provenzalischer Künstler gilt als international angesehener Meister seines Faches: Paul Cézanne. Der gebürtige Provenzale blieb Zeit seines Lebens seinem Geburtsort Aix-en-Provence treu, auch wenn die Pariser Kunstszene ihn immer wieder in die Kunsthauptstadt verführen wollte. Er erstand ein kleines Atelier im Norden von Aix-en-Provence, von wo er seine künstlerische Methode sowie sein Lieblingsmotiv hervorragend malen konnte. Cézanne gilt als Begründer der Freilichtmalerei unter provenzalischen Himmel, die ideal ist, um die Farben und die Anziehungskraft der Region so genau wie möglich treffen zu können. Für seine Malerei begab er sich daher oft auf Spaziergänge im Freien, stellte seine Leinwand unter dem tiefblauen Himmel auf und begann das zu Malen, was ihm in diesem Moment so sehr an der provenzalischen Natur faszinierte. Mit seinem Lieblingsmotiv, dem Hausberg von Aix-en-Provence „Mont Sainte-Victoire“, machte er die Schönheit der Provence auf der Weltbühne bekannt. Der Berg gilt heute als eines der Paradebeispiele zur Inszenierung der wunderschönen provenzalischen Landschaft. Allerdings ging es Cézanne weniger um das genaue Abbild seiner geliebten Provence auf der Leinwand, sondern vielmehr um das Gefühl, das die Landschaft mit all ihren wunderbaren Elementen in ihm auslöste. Er malte die Provence wie er sie empfand und brach damit mit der üblichen, realistischen Kunst.

Das kunstvolle Erbe der Provence verewigen einige eindrucksvolle Museen und Ausstellungsorte in verschiedenen Orten. Oft sind es die Wahlheimaten und Wohnorte der Künstlerinnen und Künstler, wo die künstlerische Liebe zur Provence für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht ist. Viele der Kunstmuseen beherbergen daher einzigartig große Sammlungen verschiedener Künstler, die teilweise zu den größten Ausstellungen einiger Kunstschaffender weltweit gehören. Sei es das Chagall-Museum in Nizza, das Picasso-Museum in Antibes oder das Atelier von Cézanne in Aix-en-Provence – überall lassen sich die Spuren der großen Künstler in der Provence finden. Selbstverständlich wirkt die Provence heute wie damals immer noch anziehend und inspirierend auf Kunstschaffende der ganzen Welt. Denn in fast jeder Ortschaft finden sich Künstlerinnen und Künstler, die in ihren Ateliers die Schönheit der Region einfangen und sich stets durch den unvergleichlichen Charme der Region verzaubern lassen. Vor allem in den Künstlerorten, die auch als die schönsten Dörfer Frankreichs gelten, findet man viele Ateliers.  Sei es in der Ockerhauptstadt Roussillon, in dem Postkartenmotiv der Provence Gordes oder den Wohnorten der Künstlerikonen wie Antibes oder – überall lassen sich Künstlerinnen und Künstler aus den unterschiedlichsten Kunstdisziplinen von der Provence verzaubern. Sie alle verarbeiten die Provence auf ihre eigene Art und Weise: Mal ist es Landschaftsmalerei, wo sie in der Tradition von Cézanne im Freien die faszinierende provenzalische Landschaft malen; mal sind es abstrakte Formen oder Farbspiele, in denen die Künstlerinnen und Künstler ihre Wahrnehmung der Provence widerspiegeln. Damit ist das künstlerische Schaffen in der Provence ebenso vielfältig, bunt und einfallsreich wie die Region selbst und repräsentiert das provenzalische Lebensgefühl wie nichts anderes.


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