Pastis

Es ist der klassische Apéritif in der Provence: der Pastis. Der Anisschnaps ist einer der bekanntesten Spezialitäten der Region, schließlich machte er die Provence weit über die französischen Grenzen bekannt. Doch so traditionell der Pastis scheinen mag, eigentlich ist er eine der jüngsten Erfindungen der provenzalischen Küche. Umso erstaunlicher ist der selbstverständliche Genuss des Anisschnaps und sein alltäglicher Gebrauch als kleine Erfrischung, Getränk unter Freunden oder als Geheimzutat für manche andere Gerichte der herrlichen regionalen Küche.

Herkunft

Langezeit waren die französischen Lokale vor Allem für ein bestimmtes Getränk berühmt: den Absinth. Doch nach einem spektakulären Mordfall 1915 und der anschließenden Verteufelung des Schnapses wurde Absinth und alle ihm ähnlichen Substanzen in fast jedem Land der Welt zum Konsum verboten. Das Absinth-Verbot traf vor allem Frankreich, wo der Schnaps aus Wermut, Anis und Fenchel in jeder Bar serviert wurde. Absinth verdankt seinen Geschmack unter anderem dem Anis, weshalb aus Angst, Spirituosen auf Anisbasis könnten dieselbe teuflische Wirkung entfalten, jegliche Anisschnäpse als Absinth-Varianten ebenfalls verboten wurden. Hierrunter fiel unter anderem auch ein Anislikör, für den der Süden Frankreich zu dieser Zeit bereits berühmt war. Dieser war zwar noch nicht der heutige Pastis, doch lässt er sich klar als seinen Vorgänger betiteln. Er wurde in so ziemlich jedem Haushalt der Provence gebraut und bei allerlei Veranstaltungen getrunken. Das Verbot des beliebten provenzalischen Anisschnapses traf die Bevölkerung besonderes stark, denn er diente als Ablenkung im anhaltenden 1. Weltkrieg. Unerschrocken brannten die Provenzalen ihren Anislikör daher heimlich weiter. Dabei stellten sie schnell fest, dass Anisspirituosen nicht zwingend die toxische Wirkung entfalten muss, die dem Absinth nachgesagt wurde. Einige findige Spirituosenhersteller beriefen sich dabei auch auf die seit Jahrhunderten andauernde Tradition, Spirituosen auf Anisbasis herzustellen, wie es bereits im Mittelalter vor allem in Osteuropa und Asien Brauch war. Schnell wurde trotz des Verbots eine aus dem verschreckten Brennen ein offener Protest gegen die Prohibition. Doch trotz des Unmuts über das Verbot, hatte dieses eine positive Wirkung für die Anisschnapsproduktion in der Provence: Die Provenzalen widmeten sich vermehrt ihrem Anislikör, der zuvor nur als Ableger des berühmten Absinths galt. Sie entwickelten seine Rezeptur mit der Absicht der legalen Produktion weiter, probierten verschiedene Gewürze in Kombination mit dem Anis aus und variierten und verbesserten die Mixtur des Anisschnapses. Es entstand ein stiller Wettlauf um die Perfektionierung der Mischung für die Spirituose auf Anisbasis, aus dem schließlich der heute bekannte Pastis entstehen soll.

Über fünf Jahre hinweg brannten die Provenzalen heimlich in ihren Häusern und versteckten Destillerien, bis 1920 eine bedeutende Entscheidung gefällt wurde: Die französische Regierung erkannte an, dass Anislikör anders als Absinth – abgesehen von dem enthaltenden Alkohol – weitaus ungefährlicher war. Nun durfte man im gesamten Land wieder Spirituosen auf reiner Anisbasis herstellen, was vor allem die Destillerien in der Provence erfreute. Allerdings gab es nach wie vor eine Einschränkung für den Anisschnaps aus der Provence. In der unmittelbaren Nachkriegszeit lag die Alkoholgrenze für Getränke aller Art bei 30%, wodurch die Provenzalen ihre Rezeptur für die Anisspirituose nochmal etwas verändern und angleichen mussten. Zwei Jahre später jedoch im Jahr 1922, wurde der Alkoholgehalt im Pastis jedoch angehoben und im Jahre 1938 nochmals erhöht, weshalb es sich seitdem bei einem Pastis um einen Schnaps mit 40-45% Alkohol handelt.

Die vielen verschiedenen Anpassungen des Pastis während des Verbots von Anislikör führte Anfang der 1920er Jahre zu einem wahren Wirrwarr aus unterschiedlichen Rezepten und Mischungen, die allesamt als Anisschnäpse überzeugten. Da der Schnaps teilweise auch in den hauseigenen Bauernstuben gebrannt wurde, war die Bestimmung eines einzigen Pastis-Rezepts gänzlich unmöglich. Diese Ungenauigkeit ist bereits im Namen des Schnapses zu erkennen, denn der Begriff ist das provenzalische Wort für „Mischung“. Ein Pastis ist damit nichts Weiteres als eine Mischung aus verschiedenen Gewürzen, wobei der Anis den gesamten Geschmack dominiert. Eine Sonderstellung in der Herstellung von Pastis nimmt die provenzalische Hauptstadt Marseille ein. Als traditionelles Zentrum der Provence stammt von hier selbstverständlich auch eine eigene Pastis Variante, die sich jedoch mit der Zeit in der gesamten Region verbreitet hat. Noch heute wird der „Pastis de Marseille“ noch den Orignialrezepten aus der Zeit der Prohibition gebrannt und bezeichnet damit eine bestimmte Mischung aus Gewürzen auf Anisbasis. Hier kommen sogar verschiedene Anissorten zusammen: grüner Anis sowie Sternanis erzeugen gemeinsam mit anderen, geheimen, Gewürzen den lakritzigen Geschmack des Pastis aus Marseille aus. Außerdem handelt es sich um einen besonders reichhaltigen Schnaps, so erreicht der Alkoholgehalt das Maximum von 45%.

Zubereitung

Der Pastis ist, wie sein Name schon vermuten lässt, eine meisterliche Mischung aus allerlei verschiedenen Gewürzen. Hauptzutat ist selbstverständlich der Anis, der dem Schnaps nicht nur seine charakteristische gelbliche Färbung verleiht, sondern vielmehr für den herrlichen Geschmack verantwortlich ist. Anis ist dabei ein wahres Traditionsgewürz für Spirituosen der warmen Gebiete. Waren es zunächst die Osmanen, die mit ihrem Raki einen Anisschnaps brannten, so hielt sich der Anis in Osteuropa und Asien und wurde später von den Griechen für ihren bekannten Ouzo und von den Italienern für ihren Sambuca verwendet, bis schließlich die Provenzalen diese besondere Note in ihren Pastis verwandelten. Doch alle Anisschnäpse unterscheiden sich in ihren charakteristischen Noten, die den Anis an die jeweilige Region angepasst hat.

Die weiteren festen Bestandteile des provenzalischen Anisschnapses neben dem Anis oder Sternanis sind Fenchelsamen und Süßholz. Hinzukommen einige geheime Kräuter, die jeder Pastis-Hersteller für seine charakteristische Note verwendet. Gerne werden hier auf heimische Gewürze zurückgegriffen, die auch in den berühmten „herbes de Provence“ enthalten sind. So werden beispielsweise Thymian oder Kümmel hinzugegeben, aber auch Salbei oder Beifuß sind oft verwendete Zutaten. Solange der Anisgeschmack die dominierende Note des Schnapses bleibt, darf jegliches weiters Kraut in das Getränk gemischt werden. Allerdings muss ein wahrer Pastis neben dem Anis noch einen weiteren Geschmack nachweisen: das Süßholz und den Fenchel. Alle anderen Gewürze sowie der Wasser, Zucker und Alkoholgehalt darf jedoch in einem gewissen Rahmen varriert werden und bleibt das Geheimnis jeder Pastis-Destillerie. Auch der Anteil der drei ausschlaggebenden Kräuter ist nicht vorgegeben, jedoch muss aus jedem Pastis, egal um welche Mischung es sich handelt, der Anis den Geschmack dominieren.

Was allerdings nicht zu sehr variieren darf, ist das Servieren eines Pastis. Denn nur der, der einen Pastis richtig serviert, trinkt auch einen wahren Pastis. Traditionell wird der hoch konzentrierte Schnaps mit eiskaltem Wasser gemischt und mit weiteren Eiswürfeln abgekühlt. Es ist ein typisches Sommergetränk, dass eiskalt genossen werden soll und mit seinen kühlenden Gewürzen die Abkühlung in den heißen Sommertagen in der Provence ist. Außerdem muss ein wahrer Pastis im richtigen Pastis-Glas aufgetischt werden. Das konkav geformte Glas wird mit etwa zwei Fingerbreit hohem Pastis gefüllt, der in einem Verhältnis von fünf bis sieben Volumen mit Wasser aufgefüllt wird. Es ist der Schritt, wo das kleine Wunderwerk des Pastis entsteht: aus der zuvor klaren goldenen Flüssigkeit wird nun eine trüb-gelbe Flüssigkeit. Das Ausfallen des Pastis in der Mischung mit Wasser lässt sich durch ein einfaches physikalisches Gesetz erklären. Gerne wird dieser Effekt als der „Ouzos-Effekt“ oder im Fachjargon „Louche-Effekt“ beschrieben, denn er ist ebenso in den anderen Anisschnäpsen der Welt zu beobachten. Grund des Ausfallens der Flüssigkeit sind die im Alkohol gelösten ätherischen Öle des Anises und der anderen Gewürze, die jedoch im Wasser unlöslich sind. Es wirkt fast wie ein kleiner Zaubertrick, wenn sich die bronzefarbene Flüssigkeit in eine milchig-gelbe verwandet. Doch wer genau hinsieht, der kann Partikel der ausfallenden Öle erkennen, die sich nun im gesamten Glas verteilen und die Klarheit vertrüben. Um den besonderen Moment des Pastis-Genusses ganz seinem Genießer zu überlassen, ist es traditionell der Gast selbst, der beim Servieren des Pastis über die Menge des Wassers und die Anzahl der Eiswürfel entscheidet, um den Pastis samt seinem kleinen Zaubertrick genießen zu können.

Verwendung

Stolz auf ihr relativ junges lokales Getränk, setzten die Provenzalen den Pastis gerne in allerlei Speisen ihrer bezaubernden Küche ein. Gerne wird er im Sud von Fisch- oder Meeresfrüchtengerichten eingesetzt, um den Meeresbewohnern ihre besondere Note zu entlocken. Dabei ist er besonders für Suppen aller Art beliebt, die durch die Würzung des Anises ihre Aromen auf einzigartige Art und Weise entfalten können. Doch besonders beliebt ist der süßliche Schnaps mit ihren ebenso süßen Gewürzen für Süßspeisen der Region. Egal ob in Eis, Kuchen oder andern Patisserie-Kunstwerken – überall wird der Pastis mit seiner Anis-Geschmack eingesetzt und macht scheinbar unauffällige Speisen zu geschmacklichen Explosionen.

Die wohl bekanntesten Traditionsmarken, die sich der Herstellung des Pastis vollkommen gewidmet haben, sind Ricard und Pastis 51. Hier wird der Anisschnaps im großen Stil produziert und durch ein industriell perfektioniertes Verfahren in die gesamte Welt hinaustransportiert. Doch auch kleiner Destillerien haben sich der Traditonsherstellung des Pastis verschrieben, zumal die Rezeptur für einen Pastis jedem Branntmeister selbst überlassen ist. Daher finden sich im gesamten Süden von Frankreich einige Familienunternehmen, die seit ihre über Generationen weitergebene und einst in der Zeit der Prohibition von Absinth entwickelten Rezepte bis heute produzieren. Leider werden die kleineren Unternehmen zunehmend von den beiden großen Pastismarken überschattet, wobei man in der Provence eigentlich allerlei verschiedene Pastis-Mischungen finden kann. Außerdem setzt sich in Südfrankreich der Trend durch, den Pastis mit weiteren bunten Sirupen oder anderen Likören zu vermischen, um den Schnaps in einer Farben- sowie Geschmacksvielfalt genießen zu können. Je nach Farbe wurde der variierte Anisschnaps mit andren Namen getauft, um seine neue Mischung Ausdruck zu verleihen. So kann man neben dem klassischen gelben Pastis auch den roten „Rourou“ mit einem Schuss Erdbeersirup in manchen Bars finden oder auch den weißen „Mauresque“, der mit etwas Mandelsirup versehen ist. Allerdings ist der traditionelle gelbliche Pastis nach wie vor der dominierende „Apéritif“ in der Provence und entzückt bei den zahlreichen geselligen Anlässen immer wieder.


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2 Kommentare Gib deinen ab

  1. provefan sagt:

    Toller und gut recherchierter Bericht über das Getränk, nicht nur der Provenzalen.
    Ich bevorzuge den Pastis der Marke Henri Bardouin anstatt mit Wasser nur mit Eiswürfeln. Aber das ist ja bekanntlich eine Frage des Geschmackes.

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