Banon

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Hoch oben in den „Alpes-de-Haute-Provence“ verbirgt sich ein kleiner Ort mit großer Bedeutung. Denn Banon ist wahrlich vielseitig: von dem gleichnamigen, vorzüglichen Ziegenkäse über eine ganz einzigartige Bibliothek bis hin zum alpinen Erbe erstrahlt der Bergort in allerlei unterschiedlichen Facetten.

Der besondere Käse

Einigen Käseliebhabern mag der Name „Banon“ auf ganz andere Art und Weise vertraut sein, schließlich lässt sich in manch gut sortierten Käseregalen der gleichnamiger Ziegenweichkäse finden. Wie seine Bezeichnung vermuten lässt, ist dieser, traditionell in Kastanienblättern gewickelte Ziegenkäse stolze Spezialität des kleinen Bergdorfes. Bei einem Besuch von Banon darf man sich daher nicht über die zahlreichen Geschäfte mit der Aufschrift „Fromagerie“ („Käserei“) wundern, die nach uraltem Rezept den wohlschmeckenden Käse aus eigenem Haus herstellen. Hier lässt sich der wohl ursprünglichsten Banon-Käse erstehen. Marktführer ist die „Fromagerie de Banon“, deren kleines Ladenlokal im Zentrum des Örtchens nicht über die eigentliche Menge an Banon-Käse hinwegtäuschen sollte, die die Traditionskäserei seit 1958 produziert. Schließlich stammen 60% aller Käse, die den Titel eines wahren „Banon“ tragen dürfen, aus dem Handwerksbetrieb, womit diese allein etwa 50 Tonnen Banon-Käse jährlich auf nationalem und internationalem Markt vertreibt.

Dabei führen die Spuren des Käses aus Banon weit in die Vergangenheit zurück und lassen sich bis in das Mittelalter verfolgen. Schon zu mittelalterlichen Zeiten zeugen Berichte von dem besonderen Ziegenkäse aus dem gleichnamigen Bergort, der die hiesigen Bauern zunächst nur für den Eigenbedarf produzierten. Damals wurden die Bauern erfinderisch, als sie für die harten kalten Winter in den Bergen vorsorgten und die besonders proteinreiche Ziegenmilch für die dunklere Jahreszeit konservieren wollten. Sie bedienten sich großen Kastanienblättern, die sie im Herbst sammeln konnten und die ideal waren, um die Laibe ihrer Ziegenkäse schützend zu umwickeln. Schnell bewährte sich die schützende Hülle, die sowohl das befürchtete Eindringen von Feuchtigkeit, aber ebenso das Austrockenen des weichen Ziegenkäses verhinderte. Die Bauern aus Banon konnten mit Hilfe der Kastanienblätter ihren geliebten Rohmilchkäse auch im Winter genießen und damit ebenfalls ihren Proteinbedarf in den kalten Monaten decken. Teilweise nutzen sie ihre effektive Verarbeitungsart der frischen Ziegenmilch ebenso für Kuhmilch, doch erwies sich die Ziegenmilch in Kombination mit dem Aroma der Kastanienblätter als besonderes stimmig. Doch erstmals schriftlich fixiert wurde die Herstellung des Banons weitaus später. In einem Kochbuch aus dem Jahr 1886 wird der provenzalische Käse und ein Rezept zu seiner Herstellung neben anderen lokalen Spezialitäten aufgelistet. Damit wurde der Ziegenweichkäse von den Bauernhöfen Banons als einer der regionalen Delikatessen wahrgenommen und aufgewertet, wodurch sich alsbald eine kommerzielle Produktion etablierte, hatten die „Fromageries“ in Banon bis dato ihren Käse ausschließlich für den ihren eigenen Verzehr produziert. Langsam verebbte die aufwendige traditionellen Käseherstellung in den Haushalten Banons, sodass seit den 1950er Jahren der Banon Käse ausschließlich zum Verkauf hergestellt wird. Diese Kommerzialisierung ging mit einer allgemeinen Technisierung der Höfe einher und führte zu einer spezifischeren Ausdifferenzierung der Herstellungsvorgaben eines echten „Banons“.

Nach wie vor sind es die Ziegen, die nicht nur seit der ersten Besiedlung der Berge willkommene Gefährten der Bevölkerung sind, sondern klar im Mittelpunkt der bedeutenden Käseproduktion in Banon sind. Die Milch provenzalischer Ziegen ist aufgrund der hervorragenden Weidebedingungen in den provenzalischen Höhen von bemerkenswerter Qualität. Daher dürfen für einen wahren Banon nur Ziegenmilch der hier heimischen Ziegenrassen verarbeitet werden, wobei die Ziegen selbst mindestens 210 Tage des Jahres auf den hochgelegenen Weiden verbringen müssen. Dadurch soll die einzigartige Qualität ihrer Milch gesichert sein, der sich später im wunderbaren Geschmack des Rohmilchkäses schmecken lässt. Wie viele Leckereien der Provence wird seit 2003 die Exklusivität des Banon durch eine „Appellation d´Origine Protegée“ (AOP) gesichert, der die Herstellung eines wahren Banon genaustens reglementiert. So dürfen nur jene Ziegenkäse den Namen Banon tragen, die ausschließlich aus dem Gebiet des Ortes Banon stammen und deren Ziegen auf bestimmten umliegenden Weiden leben. Ebenso muss die Weiterverarbeitung der Ziegenmilch im Gebiet von Banon erfolgen, sodass die gesamte Produktion des Käses in den Händen seines Ursprungsgebietes bleibt. Die Käseproduktion ist damit bestimmender wirtschaftlicher Faktor der kleinen Gemeinde, wobei sie die globale Nachfrage nach ihrem berühmten Käse allein nicht decken können. Ein echter „Banon“ mit AOP-Siegel ist daher eine wahrlich delikate Rarität. Ihrem exquisiten Ziegenkäse würdigt das Dorf mit einem eigenen alljährigen „Käsefest“ im Mai, wo die Gemeinde ihrem besonderen Kulturgut alle Ehre erweist und Käseliebhaber auf ihre Kosten kommen.

Die blaue Bücherei

Kulturelle Festlichkeiten sind in Banon jedoch keine Seltenheit. Hier dreht sich vieles um die Kultur, ist das kleine Örtchen für seine überschaubare Größe ein wahrliches Kulturzentrum mit allerlei Veranstaltungen, Festlichkeiten und Einrichtungen, die der Gemeinde ihren charakteristischen Charme verleihen. Mittelpunkt dieses Zaubers ist besonders Stückchen Erde inmitten der Berge: die Blaue Bücherei oder kurz „le Bleuet“. In mehreren, im Ortszentrum gelegenen, kleinen provenzalischen Häuschen öffnet sich eine Parallelwelt voller Geschichten und literarischen Abenteuern hinter hellblauen Fensterläden und riesigen Kornblume auf den Fassaden. Scheint die Bücherei von außen recht klein, taucht man im Inneren in ein wahres Labyrinth aus Bücherregalen ein, die die engen verwinkelten Räume vom Keller bis in die dritte Etage füllen.

Doch nicht nur aufgrund ihrer bemerkenswerten Bauart ist die vermeidlich kleine Bücherei inmitten von Banon eine wahre Besonderheit. Die 1990 gegründete „librairie“ ist die größte eigenständige Bücherei Frankreichs in ländlichem Gebiet. Denn mehr als 100.000 Bücher verschiedener Genres sind hier über die vier Etagen zu finden. 2010 musste die Bücherei sogar aufwendige Renovierungsarbeiten erledigen, um ihrer Fülle an literarischen Werken gerecht zu werden. Ihren besonderen Status als ländliche unabhängige Bücherei macht „Le Bleuet“ bereits durch ihren Namen deutlichen: Heißt „le Bleuet“ übersetzt „die Kornblume“, steht die Bücherei ganz im Zeichen ihrer wundereschönen, aber raren, Namensgeberin. Mit ihrem charakteristischen Blauton steht die Kornblum synonym für die Schönheit des Landes steht und ist Symbol des ländlichen Lebens, des „vie rurale“. Diesem Charakter verschrieb sich die kleine Bücherei, die daher ebenso blaue Fensterläden trägt und die bezaubernden Kornblumen über der Eingangstür schon von Weiten jeden Besucher willkommen heißt. Ganz unter dem Motto „comme la fleur éponyme, le bleuet est aussi rare que merveilleux“ („Wie die gleichnamige Blume, ist „Le Bleuet“ so selten wie wundervoll“) weiß die Bücherei von Banon um ihren einzigartigen Charakter, den sie stets trotz wachsender Konkurrenz großer Verlage und dem Onlinebüchergeschäft zu wahren versucht. Seit 2012 tritt daher Le Bleuet ebenso im Onlinehandel auf, weshalb sich die Bücherei immerzu mit Problemen bei der Lagerung ihres enormen Buchsortiments konfrontiert sieht, was in den letzten Jahren mehrmals zu Besitzerwechsel führte. Der Anspruch an ihr blaues Signum blieb dabei jedoch stets vordergründig, wodurch die kleine Bücherei es jederzeit schaffte, sich in der literarischen Welt herauszuheben.

Le Bleuet ist und bleibt damit kulturelles Zentrum des Bergortes, doch reicht seine Bewunderung weit über die Grenzen von Banon heraus. Das kleine Fleckchen Erde mit all seinen Büchern erlangte in Frankreich einiges Ansehen, sind unabhängige Büchereien selten geworden und vermag das Bücherparadies hoch oben in den „Alpes-de-Haute-Provence“ dadurch umso kurioser und einzigartiger sein. Die Bücherei selbst versteht sich ebenfalls als Kulturraum, weshalb seit 2012 regelmäßig verschiedene künstlerische Ausstellungen und Veranstaltungen in den unvergleichlichen Räumlichkeiten inmitten der Bücherwelten stattfinden.


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